NÜRNBERGER NACHRICHTEN - 11.9.2004 - [B0409114]

Thema "U-Bahn an der Endstation?"

Ende der Buddelei

Steht nach 32 Jahren das Aus der U-Bahn an?

Kommentar von Claudine Stauber

Bezieht sich auf: B0409112 (Zeitungsbericht)

U-Bahn adieu? Endhaltestelle, alles aussteigen? Die Nürnberger müssen sich an den Gedanken gewöhnen, dass die geplanten Haltestellen "Nordklinikum" und "Gustav-Adolf-Straße" das Ende des U-Bahn-Zeitalters markieren werden. Die SPD im Stadtrat hat schon eine neue Liebe: die Straßenbahn.

Längst war man wieder wer, 20 Jahre nach dem Krieg. Nürnberg auf Ruinen wieder aufgebaut, der Wirtschaftswunder-Optimismus so verbreitet wie die Pausbacken gut genährter Wohlstandsbürger. Da brach am 24. November 1965 der Stadtrat mit nur einer Gegenstimme in eine verlockende Zukunft auf: Unterirdisch wollte man der anschwellenden Verkehrslawine droben entgehen.

Den Münchnern hinterher

Man wollte nicht schlechter als andere deutsche Großstädte dastehen. Schon gar nicht schlechter als München, das im Februar des gleichen Jahres an der Schenkendorfstraße das erste Bohrloch gesetzt hatte. Heute bringen die Züge der Landeshauptstadt auf 86 Kilometern 900 000 Passagiere täglich durch den Untergrund; in Nürnberg (und Fürth) gibt es knapp 30 U-Bahn-Kilometer, täglich genutzt von rund 300 000 Fahrgästen.

Zurück zu den Anfängen: Einen Stadtrat bestachen die Visionen der Verkehrsplaner nicht. Der FDP-Vertreter Friedrich Bergold stellte als skeptischer Außenseiter Fragen nach den Anschlüssen ans unterirdische Netz - Fragen, die auch heute wieder aktuell sind (siehe auch Gastbeitrag B0409117). Zahllose Busse würden gebraucht, um an die "Pegnitzpfeile" anzuknüpfen, warnte der Freidemokrat.

Immerhin, die VAG bettelte schon 1965 darum, den vielen Autos auf eigenen Gleiskörpern davonfahren zu dürfen. Mit der billigeren Straßenbahn wohlgemerkt, auf die jetzt Sozialdemokraten, Grüne und Freie Wähler verstärkt setzen wollen. Städte wie Barcelona, Athen, Amsterdam und Bordeaux tun es ja längst. Die Straßenbahn ist im Kommen.

Große Euphorie

Am 2. März 1972 dann kannte die Euphorie keine Grenzen, als die erste U-Bahn-Rumpfstrecke für 68,5 Millionen Mark quer durch Langwasser eröffnet wurde. Man sah sich in der Tradition der ersten deutschen Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth von 1835, gönnte den Nürnbergern fünf Tage Gratisfahrt unter der Erde und hielt es für keinen Zufall, dass am Tag der Eröffnungsfeierlichkeiten das neue Bundesverkehrsförderungsgesetz in Kraft trat, das den Zuschuss des Bundes von 50 auf wohltuende 60 Prozent erhöhte.

Ein Gesetz galt von Anfang an: Ohne viel Geld aus Bonn und München keine U-Bahn. Welcher Oberbürgermeister, welcher Stadtrat hätte sich dem Fluss der Millionen (80 Prozent Förderung) entgegenstemmen wollen? Andreas Urschlechter nicht und Nachfolger Peter Schönlein ebenso wenig. Die U-Bahn war und ist nicht nur ein gigantisches Konjunkturprogramm, sondern auch politisches Kapital, mit dem gewuchert werden konnte. Und sie ist beliebt und bequem. Allenfalls vorsichtige Frauen meiden sie nachts.

Während vornehmlich grüne Kritiker bereits Ende der 70er Jahre mahnten, die Nürnberger lebten über ihre Verhältnisse und hätten mit dem gleichen Geld längst jede Seitenstraße an die Straßenbahn anbinden können - U 1 und U 2 bohrten sich weiter durch fränkischen Blasensandstein, bestanden unter der Lorenzkirche ingenieurtechnische Abenteuer und rollen demnächst videoüberwacht und führerlos.

U-Bahn adieu? Es ist wahrscheinlich, dass die vom SPD-Fraktionschef Gebhard Schönfelder angestoßene Diskussion den Anfang vom Ende der U-Bahn markiert. Mag die CSU um einen "Eckpfeiler der Stadtentwicklung" fürchten und lieber an der Straßenbahn sparen wollen - das Geld geht aus und jeder Meter unter der Erde kostet - nicht nur beim Bau.

Siehe auch NN-Themenseite "U-Bahn an der Endstation?" vom 11.9.2004 (Seite 15): B0409111

CLAUDINE STAUBER - 11.9.2004 0:00 MEZ

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http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=238941&kat=10&man=3




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